Das Leben und der Gabelbaum

Entweder Esther ruft von hinten etwas und du verstehst es auf dem Board — oder nicht.

Wenn du es verstehst, dann gibt es zwei, nun ja vielleicht drei Optionen. Erstens du kannst das, was sie dir zuruft umsetzen und das Surfen klappt besser. Zweitens du erschreckst dich total, versuchst noch, es irgendwie umzusetzen, fällst dann aber rein. Und die so halb dritte Option, du versuchst es umzusetzen, erst klappt es auch, aber dann fällst du trotzdem rein. So zumindest meine Erfahrung. Häufig lief es bei mir auf Option zwei hinaus. Aber, und das ist eine weitere Erkenntnis neben der, die ich gleich mit euch teilen möchte, nicht aufgeben, irgendwann klappt es! 

Was ich aber eigentlich mit euch teilen möchte, ist meine Erkenntnis vom Leben und dem Gabelbaum. Beim Windsurfen, so habe ich gelernt, ist es sinnvoll, den Gabelbaum durch die locker geschlossene Hand gleiten lassen zu können. Ab und zu kann ich mich zwar auch festhalten und den Gabelbaum zum Stabilisieren nutzen, aber um beim Surfen das Segel richtig in den Wind stellen zu können, braucht der Gabelbaum Spielraum zwischen meinen Fingern und der Handfläche. Nur so bleibe ich in Balance und falle nicht dauernd ins Wasser. 

Was das mit der Balance im Leben zu tun haben soll? Das hat Esther mich auch gefragt. Und so kam ich nicht nur zur Surf- sondern auch zur Lebenserkenntnis. Der Gabelbaum steht für mich im Leben für zwischenmenschliche Beziehungen. Der Beziehungsbaum sozusagen. Beziehungen brauchen Spielraum. Natürlich kann ich mich festhalten, wenn ich es brauche, aber dann braucht die Beziehung auch ein Wieder-Lockerer-Lassen, ein In-Bewegung-Sein. Ein Nah-dran und ein Weiter-weg. Und trotzdem sind die beiden Personen, die in Beziehung sind, in diesem Sinnbild gut in Kontakt. Das bin ich beim Surfen mit dem Gabelbaum auch. Ich habe meine Hand immer am Gabelbaum und bin so mit ihm in Kontakt. Und das bin ich auch, wenn ich mit Menschen in Beziehung bin. Ich bin mit ihnen in Kontakt. Mal fester und mal lockerer. Mal näher dran, mal weiter entfernt. Es gibt Zeiten, da bekomme ich viel mit aus dem Leben der anderen Person und dann gibt es auch die Zeiten, wo wir nicht ganz so viel voneinander hören. So gleitet meine Hand beim Surfen auch von meinem Körper weg oder zu ihm hin. Und dennoch bleibt der Gabelbaum wichtig, egal wie weit meine Hand von mir weg ist und wie locker sie den Gabelbaum umschließt. Ohne ihn könnte ich nicht Windsurfen. So bleibe ich in Balance, auf dem Board und in Beziehung. 

Diese Erkenntnis umzusetzen ist nicht immer leicht. Weder auf dem Board, noch im Leben. Und doch ist dieses Bild seit meiner Zeit bei Surf&Soul ein Begleiter geworden: das Bild vom Gabel- und Beziehungsbaum.

Lisa Maas

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